"Mit wenig Aufwand Leben retten"

Was eine Blut- und Stammzellspende bewirken kann, davon erzählt uns Nadja Mann, 37 Jahre aus Northeim. Ein eigentlich glücklicher Moment in ihrem Leben – die Geburt ihrer Tochter – wurde schlagartig überschattet: Nur 12 Stunden nachdem ihr zweites Kind das Licht der Welt erblickte traf die Mutter die Diagnose Leukämie. Von diesem Tag an war klar: das Krankenbett würde Nadja nicht so schnell verlassen, wie so viele Mütter, die die erste Zeit mit ihrem Kind im trauten Zuhause genießen… so, wie auch ihre Vorstellung von der ersten Zeit mit dem neuen kleinen Familienmitglied war. Ihre Realität wurde eine ganz andere und ihre Geschichte erzählt sie uns aus folgendem Grund: „Ich habe die letzten Wochen gemerkt, wieviel ich in meiner Situation bewirken kann und in dieser Sache muss man das einfach tun!“.

Dabei ist „diese Sache“ eigentlich ihr Feind: eine aggressive Form von Blutkrebs. Aber im Schatten der Erkrankung gibt es auch Helden: Blut- und Stammzellspender*innen, ihre Lebensretter*innen. Mehr Menschen dazu zu gewinnen Gutes zu tun, das ist Nadja jetzt wichtiger denn je. Sie selbst war vor ihrer Erkrankung als potenzielle Stammzellspenderin in unserer Datei, der KMSG, registriert und als Blutspenderin aktiv.

Leukämie-Patient*innen benötigen auch Blutspenden

„Wenn ich damals Blut gespendet habe, dann habe ich immer an Auto- oder Motorradunfälle gedacht. Dass so viele Blutspenden aber gerade für Krebspatienten gebraucht werden, das war mir gar nicht bewusst“, erinnert sich Nadja zurück. Jetzt zählt sie zu den Patient*innen, die regelmäßig Blutkonserven benötigten.

Die zweifache Mutter und Leukämiepatientin Nadja Mann. Foto: Florian Maur, @florianmaurfotografie

Denn bevor eine Stammzelltransplantation starten kann, wird das eigene blutbildende System zunächst zerstört. Dabei hatte Nadja das Glück, dass ihr Körper nach der Transplantation schnell wieder Blutzellen produziert hat: „Ich glaube, ich habe vergleichsweise wenig Blutpräparate benötigt", erzählt sie uns. "Wenig" bedeutet aber in diesem Fall, dass immerhin 59 Menschen an Nadjas Genesungsprozess mitgewirkt haben. Menschen, die gar nicht wissen, wem genau sie ihr Blut und ihre Stammzellen gespendet haben. Auch wenn Nadja diese Menschen ebenfalls nicht kennt, denkt sie oft an sie: „Ich bin unendlich dankbar, dass es Menschen gibt, die immer wieder den Weg auf sich nehmen, um Blut zu spenden oder sich tagelang darauf vorbereiten, Stammzellen abzugeben. Wir alle können leider in die Situation kommen, dringend Blut oder Stammzellen zu benötigen. Mit relativ wenig Aufwand kann jede und jeder zum Spender werden".

Ein Dankesbrief

Ihre Geschichte zu erzählen ist eine Form, Dankbarkeit zu zeigen, da Nadja sich bei ihren Blutspender*innen nicht persönlich bedanken kann. Aber ihrer Stammzellperson kann sie anonym einen Brief zukommen lassen. Um die Anonymität zu wahren, können wir diesen Brief an dieser Stelle nicht veröffentlichen. Dabei berichtet sie in ihren Zeilen auch von den Fragen, die sie sich in Bezug auf ihren Stammzellspender stellt: Wer ist diese Person? Was hat sie dazu bewegt, einem fremden Menschen die rettenden Stammzellen zu schenken? Hat dieser Mensch auch eine Familie und ist vielleicht froh, dass Nadja dank der Spende ihre Kinder großziehen kann?

Nadja möchte unbedingt ihren Spender kennenlernen – sofern beide Seiten einverstanden sind, kann die Anonymität nach zwei Jahren aufgehoben werden. 

Eine bisher unbekannte Gefühlswelt

Die tiefe Dankbarkeit, die Nadja empfindet, ist aber nur eines von vielen Gefühlen, denen sie sich seit der Erkrankung konfrontiert sieht: „Auf der anderen Seite stehen dann diese großen Gefühle in Bezug darauf, dass ich von meiner Familie, meinem Mann und meinen zwei Kindern, abgeschottet bin“, berichtet sie und beschreibt ihre Gefühlswelt im Prozess als stetiges „Schwanken zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit“. Und auch ihr Blick auf das Leben habe sich verändert: „Ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen. Jetzt möchte ich in erster Linie für meine Familie da sein und Erinnerungen schaffen. Das Leben kann jeden Tag vorbei sein. Erinnerungen haben mich in den schweren Zeiten immer weitergetragen und mir Hoffnung geschenkt, die ich so dringend gebraucht habe.“

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